Politik und Wirtschaft: Weltweiter Transparenzkurs
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Entgelttransparenzgesetze in aller Welt
Ob Island, Großbritannien oder Deutschland – Entgelttransparenzgesetze sind weltweit auf dem Vormarsch. Besonders Island hat ehrgeizige Ziele: Gleichstellung auf dem Gehaltszettel bis 2022. Doch auch in anderen Ländern gibt die Politik einen klaren Transparenzkurs vor. Ein Überblick.
Island: Kleines Land mit großer Vorbildfunktion
Gleichstellung auf dem Gehaltszettel bis 2022 – so lautet das ehrgeizige Ziel der isländischen Regierung. Schon seit Jahren geht das kleine Land in Sachen Gleichstellung mit großen Schritten voran, etwa der paritätischen Aufteilung der Elternzeit, der flächendeckenden Kinderbetreuung oder dem Gender Pay Gap als Unterrichtsfach in der Schule. Doch trotz all dieser vorbildlichen Maßnahmen liegt das Land mit einem Gender Pay Gap von 16 Prozent im europäischen Mittelfeld, was die Bezahlung angeht. Das soll sich nun zügig ändern: Ab sofort müssen sich Unternehmen ab einer Größe von 25 Beschäftigten nach dem isländischen Equal Pay Standard zertifizieren lassen. Die Nachweispflicht liegt bei den Unternehmen – jeder Tag ohne Zertifikat kostet die säumigen Unternehmen bares Geld.
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Großbritannien: Transparenzpflicht
Wie viel die Pflicht zur Transparenz bewegen kann, zeigt sich auch am Beispiel Großbritannien: Seit April 2018 sind Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten verpflichtet, den unternehmensinternen Gender Pay Gap zu veröffentlichen, und zwar sozusagen unter aller Augen: auf der Internetseite der britischen Regierung und der eigenen Website. Viele Unternehmen nahmen dies zum Anlass, zeitgleich auch neue Gender Equality Konzepte und Strategien zu präsentieren.
Die veröffentlichten Daten zeigen übrigens: Je gleichmäßiger sich Frauen und Männer auf die Karrierestufen in einem Unternehmen verteilen, desto kleiner ist auch der unternehmensinterne Gender Pay Gap. Transparenz macht also nicht nur den Gender Pay Gap selbst sichtbar, sondern lässt auch Rückschlüsse auf die Ursachen zu – was die Behebung des Missstands enorm erleichtert.
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Frankreich: Entgelttransparenz auf dem Vormarsch
Nach isländischem und britischem Vorbild will nun auch Frankreich die Gesetzgebung verschärfen und Unternehmen dazu verpflichten, den internen Gender Pay Gap zu berechnen und online zu veröffentlichen. Dafür wird ein Onlinetool entwickelt, das die Unternehmen ab 2019 nutzen müssen – anderenfalls drohen empfindliche Strafen. Sanktioniert werden soll aber auch die ungleiche Bezahlung selbst.
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Schweiz: Mit gutem Beispiel voran
In der Schweiz gibt es eine Charta für Equal Pay im öffentlichen Sektor, der sich alle Kantone und Gemeinden anschließen können. Gerade in den Behörden wird Lohngerechtigkeit konsequent gefördert und umgesetzt: Die Vorbildfunktion für öffentliche und private Arbeitgebende wird sehr ernstgenommen – und kommt bislang ohne Pflichten und Sanktionen aus. Tatsächlich hat etwa jede zweite Verwaltung die Charta bislang unterschrieben.
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Australien: Arbeitsplatzagentur
Nicht nur in Europa, auch in anderen Ländern der Welt steht Equal Pay weit oben auf der politischen Agenda. Ähnlich wie in Großbritannien müssen australische Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten jährlich einen Report zur Gleichstellung im Unternehmen erstellen, der neben den Zahlen zum Gender Pay Gap viele weitere Gleichstellungsdaten erfasst: Wie verteilen sich die Geschlechter auf die Belegschaft? Sind flexible Arbeitszeiten möglich? Welche Vereinbarkeitsmaßnahmen bietet das Unternehmen an? Alle Ergebnisse sind auf der Website der „Workplace Gender Equality Agency“ einsehbar. Darüber hinaus werden die Daten zentral ausgewertet und veröffentlicht. Die „Agentur für Gleichstellung am Arbeitsplatz“ zeigt außerdem Best Practice Beispiele aus dem Unternehmensalltag auf.
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Kanada: Transparenzpläne
„So I’d like to focus on a fundamental shift that every leader in this room can act on immediately. […] I’m talking about hiring, promoting, and retaining more women. And not just because it’s the right thing to do, or the nice thing to do, but because it’s the smart thing to do.“ — Justin Trudeau
Wie Frankreich und Australien nimmt sich auch Kanada ein Beispiel an Großbritannien. Während das kanadische Gleichstellungsministerium landesübergreifend arbeitet, sind es in Sachen Equal Pay einzelne Staaten, die mit gutem Beispiel voran gehen. Vor allem in den Staaten Ontario und Quebec wird an neuen Gesetzen gearbeitet: Unternehmen sollen den unternehmensinternen Gender Pay Gap berechnen und in einem eigens geschaffenen Webportal veröffentlichen. So soll auf die Lohnlücke aufmerksam gemacht werden. Im Fokus der Gesetzespläne steht auch der aktive Austausch mit Arbeitgebenden und Gewerkschaften.
Mehr zur Pay Equity Commission in Ontario, dem Pay Equity Office in Quebec und den kanadischen Gesesetzesvorhaben
Deutschland: Entgelttransparenzgesetz
Seit Januar 2018 sieht das EntgTranspG in Deutschland einen Auskunftsanspruch in Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitenden vor. So können Beschäftigte in Erfahrung bringen, wie ihr Gehalt im Vergleich zu Kolleginnen und Kollegen in vergleichbaren Positionen abschneidet.
Das Gesetz erinnert Unternehmen außerdem ganz grundsätzlich an ihre gesetzliche Pflicht, für Entgeltgleichheit zu sorgen: Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten werden aufgefordert, die Entgeltstrukturen regelmäßig zu überprüfen. Umstritten ist das deutsche Entgelttransparenzgesetz, das ursprünglich Gesetz für mehr Lohngerechtigkeit und später Entgeltgleichheitsgesetz heißen sollte, vor allem aus zwei Gründen: Zum einen sind es (noch) die einzelnen Beschäftigten, die den Auskunftsanspruch wahrnehmen müssen. Damit ist Deutschland neben Österreich das einzige Land, das in Sachen Equal Pay einen individualrechtlichen Ansatz verfolgt. Zum anderen sieht das Gesetz bislang keinerlei Sanktionen für Unternehmen vor. Doch je mehr Beschäftigte Auskunft verlangen, desto mehr Unternehmen werden sich mit dem Thema Lohngerechtigkeit beschäftigen – und desto wahrscheinlicher wird eine Nachbesserung des Gesetzes.
Mehr zum Fair Pay Management Circle
Perception Gap: Transparenz und Lohngerechtigkeit
"Pretending it's not happening and it's not happening at your company is often the root of the problem" — Sheryl Sandberg
Ob Island, Großbritannien, Frankreich, Schweiz, Australien oder Kanada – nicht nur in Deutschland unterstützt die Politik die Wirtschaft mit neuen Gesetzen, die einen klaren Kurs vorgeben. Die neuen Rahmenbedingungen schaffen mehr Transparenz auf dem Arbeitsmarkt, und diese wiederum sorgt für gerechtere Bezahlung: Der „gefühlte Gender Pay Gap“ entspricht nur in seltenen Ausnahmen den tatsächlichen Zahlen. Liegen diese erst offen zutage, sind die meisten Unternehmen meist erstaunt – ziehen aber auch die Konsequenzen.
FPI - Was wir tun
Weshalb hält sich der Gender Pay Gap so hartnäckig? Was steht der Lohngerechtigkeit für alle im Wege? Was brauchen Unternehmen, um nachhaltige Entgeltstrategien praktisch umzusetzen?
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Unternehmen
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Best Practice wanted
Wir sind der festen Überzeugung, dass Lohngerechtigkeit schon morgen möglich wäre – wenn alle sie wollten. Das zeigen gerade jene Unternehmen, in denen es schon jetzt fair(er) zugeht.
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