Freiheit, Gleichheit, Transparenz
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DIE FRANZÖSISCHE ANTWORT AUF DEN GENDER PAY GAP
Es ist eine kleine Sensation: Frankreich tritt mit radikaler Entgelttransparenz in die Fußstapfen Islands, um die Lohnlücke bis 2022 zu schließen. Dabei zeigt sich die internationale Berichterstattung eher enttäuscht von Emmanuel Macrons Gleichstellungspolitik, nachdem er sie bei Amtseintritt zur „grande cause national“ erklärt hatte. Was passiert da gerade?
Gestern Beauvoir, heute Schiappa
Die schlechte Nachricht: Frankreich hat derzeit einen nicht angepassten Gender Pay Gap von durchschnittlich 15 Prozent, mit Durchschnittsspitzen bis zu 25 Prozent: Die gute Nachricht: Das Land, das die Erklärung der Frauen- und Bürgerrechte und Das andere Geschlecht hervorgebracht hat, reiht sich nun neben den Fair-Pay-Pionieren Island und Schweden ein und verordnet Entgelttransparenz sowie das Schließen der Lohnlücke zwischen Frauen und Männern per Gesetz.
Überhaupt hat sich Präsident Macron in seiner bisherigen Amtszeit mit tatkräftigem Engagement in Sachen Gleichstellung hervorgetan: Die Hälfte der Posten in seinem Kabinett ist mit Frauen besetzt, und Entgeltgleichheit steht ganz weit oben auf der Agenda der französischen Regierung. So hat Arbeitsministerin Muriel Pénicaud 2017 angekündigt, die Lohnlücke bis zum Jahr 2022 zu schließen. Und Gleichstellungsministerin Marlène Schiappa stellte zwei Unternehmen öffentlich an den Pranger, weil diese bei der Gleichstellung kläglich versagten – eine der neuen französischen Strategien, um Unternehmen zum Handeln zu bewegen. Kurzum: Endlich bekommt das Thema die politische Aufmerksamkeit, die es verdient.
Das Gesetz macht’s möglich
Die Gleichstellung der Geschlechter steht in Frankreich schon lange im Gesetz: Erstmals festgehalten wurde sie in der Präambel der französischen Verfassung von 1946. Und das allgemeine nationale Arbeitsrecht enthält eine Klausel, die Frauen und Männern gleiches Entgelt zusichert. Schon vor Macrons Präsidentschaft waren Arbeitgebende gesetzlich dazu verpflichtet, einen Plan zur Verringerung ihrer jeweiligen Gaps aufzustellen, seit 2013 müssen sie bei Versäumnis mit empfindlichen Strafen rechnen.
Im März 2018 packte Premierminister Edouard Philippe den Stier bei den Hörnern und setzte den französischen Unternehmen kurzerhand eine Frist von drei Jahren, um die geschlechterspezifischen Lohnunterschiede vollständig zu beseitigen.
Aber wie?
Radikale Transparenz
Das Gesetz „zur Umsetzung der Bestimmungen zur Beseitigung des Lohngefälles zwischen Frauen und Männern am Arbeitsplatz und zur Bekämpfung sexueller Gewalt und geschlechtsspezifischen Verhaltens am Arbeitsplatz“ verlangt von allen Unternehmen mit 50 oder mehr Beschäftigten Transparenz – und zwar konsequent: Unternehmen müssen eine Software installieren, die direkt mit ihren Lohn- und Gehaltsabrechnungssystemen verknüpft ist und ungerechtfertigte Lohnunterschiede aufzeigt.
Unternehmen der genannten Größe sind außerdem verpflichtet, jährlich sämtliche Kennzahlen zu veröffentlichen, die die unternehmensinternen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen betreffen. Die Indikatoren lassen sich fünf Kriterien zuordnen: Entgeltunterschiede, Gehaltserhöhungen, Beförderungsmöglichkeiten, Rückkehr aus der Elternzeit und der Anteil von Frauen an den 10 bestbezahlten Positionen im Unternehmen. Jedem dieser fünf Kriterien wird ein Punktewert zugewiesen, maximal kann ein Wert von 100 Punkten erreicht werden. Fällt die Leistung eines Unternehmens unter 75 Punkte, können Bußgelder von bis zu 1 Prozent des gesamten Gehaltvolumens verhängt werden.
Die Bestandsaufnahme staffelt sich in dieser ersten Runde wie folgt: Große Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten mussten bis zum 1. März 2019 ihre Zahlen veröffentlichen. Mittelgroße Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten haben bis zum 1. September 2019 Zeit, und kleinere mit mehr als 50 Beschäftigten noch bis zum 1. März 2020.
Es geht voran
Exakt 831 Unternehmen haben ihren Gleichstellungsindex im vergangenen März veröffentlicht, 713 von ihnen lagen über dem Minimum von 75 Punkten. Drei von ihnen erzielten mit 99 Punkten nahezu perfekte Ergebnisse: der Catering-Riese Sodexo und die beiden Versicherungsriesen MAIF und CNP Assurances. Die 118 Unternehmen, die in der roten Zone landeten, sind nun aufgefordert, einen Plan zur Behebung der Ungleichheiten in ihrem Gehaltssystem vorzulegen – und diesen umgehend umzusetzen.
Bis Ende April veröffentlichten vier Fünftel der 1.300 betroffenen Unternehmen ihre Indizes. Der Rest wird mit ersten Sanktionen rechnen müssen, die bei Nichteinhaltung ab sofort jährlich verhängt werden. 1 Prozent des jährlichen Gehaltvolumens ist schon mal ein Umdenken wert. Das Fazit aus Frankreich: Mit Transparenz geht es schneller voran!
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