Eis, Feuer und faire Bezahlung
WIE ISLAND FAIR-PAY-WELTMEISTER WURDE
Island, das sagenhafte kleine Land der Vulkane und Gletscher, wo Elfen und Trolle vermutet werden, ist in Sachen fairer Bezahlung seit einiger Zeit mit Siebenmeilenstiefeln unterwegs – doch mit Magie hat das isländische Entgeltzertifizierungssystem, das 2018 verabschiedet wurde, wenig zu tun. Die Gesetzgebung der Fair-Pay-Pioniere ist vor allem entschlossen – und weltweit einzigartig. Doch wie wirkt sich der Equal Pay Standard auf die Unternehmen aus? Ist die Lohnlücke kleiner geworden?
„Klein, aber oho.“
Der kleine Inselsaat im Norden ist – dicht gefolgt von Norwegen – unangefochtener Weltmeister in Sachen fairer Bezahlung. In keinem anderen Land der Welt ist es um die Gleichstellung so gut bestellt wie in Island, wie das Weltwirtschaftsforum 2018 verkündete. In keinem anderen Land der Welt verändern sich die Dinge so schnell zum Besseren. So gelang es Island schon zwischen 2008 und 2017, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen um 5 Prozentpunkte zu schließen.
Auch in Sachen Arbeitsmarktbeteiligung sind die Geschlechter nahezu gleich aufgestellt: 79 Prozent der Frauen und 86 Prozent der Männer sind berufstätig. Frauen arbeiten vor allem im öffentlichen Sektor und im Dienstleistungssektor, Männer eher in der Technologie- und Agrarindustrie. Diese Verteilung könnte erklären, weshalb der isländische Gender Pay Gap trotz allergrößter Anstrengungen noch nicht ganz geschlossen werden konnte. Dabei zeichnen sich vielversprechende Entwicklungen ab: In den letzten drei Jahren haben sich an der Universität Reykjavík 30 Prozent mehr Frauen für technische Studiengänge eingeschrieben, und nach einer Anpassung der gesetzlichen Elternzeitregelung im Jahr 2000 gehen inzwischen 9 von 10 isländischen Vätern in Elternzeit.
Fair, mit Stempel!
Dass Island bereits so beindruckend viel erreicht hat, überrascht wenig. Schon 1961 wurden mit dem ersten Gesetz zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern die ersten Schritte in Richtung faire Bezahlung unternommen. Fünfzehn Jahre darauf folgte das sehr viel umfassendere Gleichstellungsgesetz, das Equal Pay explizit festhielt: Frauen und Männer müssen für gleichwertige Arbeit auch gleich bezahlt werden.
Richtig Fahrt nahm die Sache 2017 auf, als das Gleichstellungsgesetz von 2008 aktualisiert wurde und in Artikel 19 der Equal Pay Standard eingeführt wurde, der von der isländischen Regierung gemeinsam mit Arbeitgebenden und Gewerkschaften entwickelt wurde. Nach dem Vorbild der ISO-Normen 9001 und 14001 bildet der Standard die Grundlage für ein branchenübergreifendes Audit- und Zertifizierungssystem, das für alle Unternehmen mit mehr als 25 Beschäftigten verpflichtend ist. Unternehmen, die diesen Pflichten nicht nachkommen, müssen für jeden Tag, den sie nicht zertifiziert sind, eine Strafe zahlen. Unternehmen, die sich unfair verhalten, bekommen dies also finanziell zu spüren, während belohnt wird, wer nachweist, fair zu bezahlen. Alle drei Jahre muss neu überprüft werden, so dass Unternehmen und Arbeitnehmende sicher sein können, dass auch weiterhin fair entlohnt wird. Darüber hinaus gibt es ein Center for Gender Equality, in dem sämtliche Unternehmen mit und ohne Zertifizierung registriert werden.
Anders als im benachbarten Norwegen, wo Entgelttransparenz gewährleistet wird, indem die Einkommenshöhe der Beschäftigten für andere einsehbar ist, obliegt es in Island den Unternehmen, für faire Bezahlung zu sorgen und diese nachzuweisen. Der Equal Pay Standard sorgt in Sachen Entgeltgleichheit zum einen für finanziellen Druck auf die Unternehmensführung. Zum anderen wirkt er sich positiv auf all jene Unternehmen aus, die bereits fair bezahlen und damit bei potenziellen Mitarbeitenden und verantwortungsbewussten Konsumierenden punkten können.
Die nächsten Schritte
Es ist eine große Leistung, was dem Land mit weniger als 400.000 Menschen in Sachen fairer Bezahlung alles gelungen ist. Eine Vielzahl neuer Softwareangebote wie beispielsweise PayAnalytics erleichtert Unternehmen die Umsetzung zusehends. Darüber hinaus schafft der Equal Pay Standard die rechtliche Grundlage für eine ganze Reihe anderer Maßnahmen auf dem Weg zu einer fairen Arbeitswelt, wie etwa flexibles Arbeiten oder bessere Kinderbetreuung.
Während sich einige Fachleute besorgt zeigen, dass der Equal Pay Standard Gehaltserhöhungen erschweren könnte, bleiben die meisten anderen bei ihrer Einschätzung, dass es auf der Welt keinen Ort gibt, an dem Männer und Frauen besser arbeiten können als in Island.
Das Allerbeste: Der Nordische Ministerrat will den isländischen Standard als Nordischen Standard für den gesamten Wirtschaftsraum einführen, der neben Island Dänemark, Finnland, Norwegen, Schweden, die Färöer, Grönland und Åland umfasst. Außerdem schlug der Nordische Wohlfahrtsausschuss vor, ein gemeinsames Gleichbehandlungszertifikat einzuführen und setzte sich für gleiche Chancen von Männern und Frauen in der Bildung und auf dem Arbeitsmarkt ein. Der bisher einzigartige Zusammenschluss könnte auch anderen Wirtschaftsgemeinschaften zur Nachahmung dienen: Faire Bezahlung lässt sich überall auf der Welt umsetzen.
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