Klein, aber fair
FAIR PAY IN NEUSEELAND
In Neuseeland, dem kleinen Inselstaat im Südwestpazifik, wo mehr Schafe als Menschen wohnen, sind derzeit nicht nur die Coronafallzahlen klein – auch der Gender Pay Gap ist vergleichsweise niedrig. Doch wie kommt es eigentlich, dass zwischen Regenwald und Palmenstränden nahezu skandinavische Verhältnisse herrschen?
In Sachen Gleichstellung ist Neuseeland Vorreiter: Als erster Staat überhaupt führte der Kolonialstaat schon 1893 das Frauenwahlrecht ein – 13 Jahre vor Finnland, das als erstes Land in Europa das Frauenwahlrecht einführte. Es dauerte zwar noch ein paar Jahrzehnte, bis die erste Frau ins neuseeländische Parlament gewählt wurde – doch spätestens seit den Parlamentswahlen 2017 kann sich der Frauenanteil sehen lassen: Der Frauenanteil in der Regierung liegt bei 38 Prozent und das Land wird von Frauen geführt. Als Staatsoberhaupt wird die Queen von Generalgouverneurin Patsy Reddy vertreten, und auch an der Regierungsspitze ist eine Frau: Premierministerin Jacinda Ardern.
Derzeit macht die bei Amtsantritt mit 37 Jahren zweitjüngste Regierungschefin der Welt Schlagzeilen, weil sie das Land souverän und sicher durch die Coronakrise führt. Nach einem anfänglich starken Zuwachs an Infektionen, entschied sich Ardern zu einem frühen und radikalen Lockdown für alle 5 Millionen Neuseeländerinnen und Neuseeländer. Damit verlangsamte sie die Ausbreitung des Virus soweit, dass er quasi eliminiert werden konnte: Seit Anfang Mai wurden keine neuen Infektionen mehr gemeldet.
Recht auf Equal Pay seit 1960
Auch in Sachen Lohngerechtigkeit geht Neuseeland schon seit längerem entschlossener vor als viele andere: Im öffentlichen Dienst sorgt seit 1960 der Government Service Equal Pay Act für gleiche Bezahlung, allen anderen sichert seit 1972 der Equal Pay Act gesetzlich gleiches Entgelt zu.
Auf dieser gesetzlichen Grundlage klagten Büroangestellte der New Zealand Clerical Workers Union 1986 auf eine Angleichung ihrer Löhne. Die Beschäftigten in den Büros verdienten erheblich weniger als die vom gleichen Arbeitgeber beschäftigten Bauarbeiter, obwohl die ausgeübten Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten seien. Die geringere Entlohnung, so die Argumentation, sei allein darauf zurückzuführen sei, dass in den Büros überwiegend Frauen beschäftigt waren, nämlich zu 90 Prozent weibliche Angestellte, während auf dem Bau überwiegend Männer beschäftigt waren. Zwar scheiterte die Equal Pay Klage, da das Gesetz von 1972 sich lediglich auf gleiche Bezahlung für gleiche, nicht aber für gleichwertige Tätigkeiten bezog. Doch infolge des Gerichtsverfahrens gab das Arbeitsministerium eine Studie in Auftrag, die die Vergleichbarkeit untersuchte und eine neue Vergleichsgrundlage schuf.
Als 2013 auch die Angestellte eines Altenheims auf höhere Bezahlung klagte, da sie die niedrigen Löhne in den Altenpflegeberufen auf das überwiegend weibliche Geschlecht der Beschäftigten zurückführte, konnte die systematische Diskriminierung nachgewiesen werden: Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin. Die Folge: Gewerkschaften und Regierung kündigten an, Lohngleichheit für alle 55.000 Beschäftigten in der Alten- und Behindertenpflege schaffen und die Stundenlöhne angleichen zu wollen.
Um Lohngleichheit für alle Beschäftigten zu erzielen, haben sich neuseeländische Gewerkschaften, Arbeitgebende und die Regierung 2018 erneut an einen Tisch gesetzt und für einen neuen Gesetzentwurf gesorgt. Der Equal Pay Amendment Bill soll die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung in frauendominierten Branchen eindämmen und wurde im August 2020 beschlossen.
Transparenz wird Pflicht
Doch wie in anderen Einwanderungsländern auch, variiert der Gender Pay Gap dabei nach ethnischer Herkunft: Frauen europäischer Herkunft verdienen mehr als Frauen asiatischer Herkunft oder Maorifrauen. Da neuseeländische Unternehmen bislang nicht dazu verpflichtet sind, ihre Pay Gaps zu veröffentlichen, bleiben die Unterschiede in der Bezahlung meist unsichtbar. Aus diesem Grund wurde von der nationalen Menschenrechtskommission die sogenannte Demand Pay Transparency Petition ins Leben gerufen, die die geschlechtsspezifische und die ethnische Lohnlücke schließen soll: Hierzu sollen Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten über die internen Lohnunterschiede und die Verteilung von Frauen und Männern auf den verschiedenen Hierarchieebenen berichten müssen; eine unabhängige Equal Pay Kommission soll über die Einhaltung der Transparenzpflichten und die Umsetzung von gleicher Bezahlung in den Unternehmen wachen.
Mit gutem Beispiel voran
Schon ohne das neue Gesetz und ohne gesetzliche Transparenzpflichten konnte die Lohnlücke in Neuseeland seit 1998 halbiert werden: 2018 lag der Gender Pay Gap im Median bei 9,3 Prozent. Im Global Gender Gap Report liegt Neuseeland nach Fair-Pay-Weltmeister Island und den skandinavischen Spitzenreitern Norwegen, Schweden und Finnland auf dem 6. Platz.
Dass die Lücke noch nicht geschlossen werden konnte, liegt neben den intransparenten Entgeltstrukturen auch in Neuseeland an überholten Rollenbildern. Nach der Familiengründung bleibt noch immer häufig die Frau zuhause, mit allen Auswirkungen für die Arbeitsmarktbeteiligung von Frauen im Allgemeinen und auf niedrigere Einkommen im Besonderen. Doch Premier Ardern sorgt nicht nur mit klaren Ansagen dafür, dass die gestrigen Klischees schon bald auf dem südpazifischen Meeresgrund landen dürften, sondern auch, indem sie selbst einfach alles anders macht als üblich: Als eine von wenigen Regierungschefinnen bekam sie in ihrer Amtszeit ein Baby. Was sie keineswegs davon abhielt, weiterzuregieren – wie die allermeisten Männer im Amt es ganz selbstverständlich auch tun. So reiste sie kurzerhand in Begleitung ihrer jungen Familie nach New York zur UN Vollversammlung. In der Coronakrise geht die berufstätige Mutter übrigens noch in anderer Hinsicht mit einem ganz besonderen Beispiel voran: Um ein Zeichen der Solidarität mit allen Neuseeländerinnen und Neuseeländern zu setzen, kürzte sie sich und anderen Regierungsmitgliedern kurzerhand das Gehalt.
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