Fjorde, Gletscher und ein klarer Gleichstellungskurs

Bekannt für seine atemberaubenden Landschaften, ist es Norwegen gelungen, die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen auf 14,3 Prozent zu senken. Damit liegt die skandinavische Nation zwei Prozentpunkte unter dem europäischen Durchschnitt. Doch wie ist das gelungen? Was wird unternommen, um die Lücke weiter zu schließen? Und was können andere Länder von Norwegen lernen?

Unter der Mitternachtssonne

Bekanntlich geht es in allen nordischen Ländern in Sachen Gleichstellung mit Riesenschritten voran: Elterngeld und lange Elternzeiten, hoch subventionierte Kinderbetreuung und zahlreiche Entgeltgleichheits- und Entgelttransparenzgesetze. Und auch Norwegen gehört – wie fast alle skandinavischen Nachbarn – zu den 10 Ländern der Welt, in denen der Gender Gap am niedrigsten ist, wie ein Ranking des Weltwirtschaftsforums von 2018 zeigt.

Auch in Sachen Arbeitsmarktbeteiligung liegt Norwegen vorn, nach Schätzungen des Nordic Labour Journal sind drei von vier Frauen erwerbstätig. Und in den Vorständen der 500 größten Firmen, von denen 175 an der Osloer Börse notiert sind, liegt der Frauenanteil bei 40 Prozent. Noch bemerkenswerter: In den insgesamt 195.000 Unternehmen der Privatwirtschaft lag der Frauenanteil auf Managementebene schon 2014 bei 30 Prozent, heute sind 35 Prozent erreicht. Im öffentlichen Sektor sind bereits 52 Prozent aller Führungspositionen mit Frauen besetzt. Alles sehr gute Schritte auf dem Weg zur Entgeltgleichheit!

Transparenzpioniere

Die norwegische Fortschrittlichkeit ist Teil einer langen und eindrücklichen Entgelttransparenzhistorie. Die Gesetzgebung reicht bis ins Jahr 1814 zurück: Seitdem ist die Erfassung und Veröffentlichung sämtlicher Einkommen, Vermögenswerte und Steuerbeträge vorgeschrieben. Und genauso lange sind diese Informationen öffentlich zugänglich, seit 2001 online. Eine solch radikale Transparenz in Einkommensfragen schafft einen sehr guten Rahmen für Entgeltgleichheit. Einzelpersonen können in Erfahrung bringen, was andere verdienen, ohne Formulare ausfüllen oder Anträge stellen zu müssen – eine hervorragende Grundlage für ehrliche und offene Gespräche über Geld, Entgeltgleichheit und faire Bezahlung.

165 Jahre später schafft der Gender Equality and Prohibition of Discrimination Act von 1979 die gesetzliche Grundlage für Entgeltgleichheit. Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten sind aufgefordert, faire Bezahlung und Entgelttransparenz umzusetzen und jährlich über den Stand der Gleichstellung zu berichten, im privaten wie im öffentlichen Sektor. Tauchen Hürden auf, müssen Maßnahmen ergriffen werden, um den Gleichstellungskurs zu korrigieren.

Außerdem können Beschäftigte von ihren Arbeitgebern und Arbeitgeberinnen Auskunft über Vergleichsgehälter und die zugrundliegenden Gehaltskriterien verlangen.

Vorbildfunktion

2003 schließlich verabschiedete Norwegen als erstes Land überhaupt ein Gesetz zur paritätischen Besetzung von Vorständen in Aktiengesellschaften, Unternehmen der öffentlichen Hand und in Genossenschaften. Die Unternehmen erhielten vier Jahre Zeit, um den Vorstand entsprechend zu besetzen – und bekamen dabei Unterstützung: Zur Verfügung gestellt wurden Datenbanken für das Recruiting neuer Talente sowie das Ausbildungsprogramm “Weibliche Zukunft”, in das die Unternehmen ihre Beschäftigten entsenden konnten.

Das norwegische Beispiel zeigt, dass es Gesetze braucht, um Gleichstellung zu erreichen und die Lohnlücke zu schließen. Je mehr Frauen in Führung gehen, desto rasanter wird sich der Wandel der Arbeitswelt vollziehen. Mit ein wenig Hilfe aus der Politik wird faire Bezahlung schon bald erreicht sein.