Vom Gesetz zur Umsetzung: Jahresbilanz im Bundesministerium
Fair Pay Management Circle am 13. Dezember 2018 im Bundesfamilienministerium
Seit Januar 2018 gilt der Auskunftsanspruch für Beschäftigte und die Evaluation ist in vollem Gange: Doch wie wurde das Entgelttransparenzgesetz umgesetzt? Was hat das Gesetz in den Unternehmen bewirkt? Reicht Transparenz, um Gleichstellung zu erzielen? Oder braucht es noch ganz andere Strategien? Ein Jahr nach unserem ersten Fair Pay Management Circle im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend war es höchste Zeit, Bilanz zu ziehen!
Bei unserer Circle-Premiere Ende November 2017 stand das Inkrafttreten des Entgelttransparenzgesetzes zur Diskussion – und alle vor vielen Fragen: Niemand wusste einzuschätzen, wie viele Auskunftsgesuche ab Januar zu erwarten waren und wie groß der Aufwand ausfallen würde. Ein gutes Jahr später, am 13. Dezember 2018, haben wir eine erste Bilanz gezogen: Wieder ging es im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend um das Thema „Entgelttransparenz“, diesmal „Vom Gesetz zur Umsetzung“.
Denn ein Auskunftsanspruch allein bewirkt wenig. „Ein Gesetz allein verändert nichts, aber ist eine Aufforderung zur Veränderung“, wie Christine Morgenstern, den anwesenden Entscheidungstragenden und Führungskräften aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik eingangs in Erinnerung ruft. Bei Fair Pay, so die Abteilungsleiterin im BMFSFJ, ginge es um sehr viel mehr als „nur“ die Bezahlung, nämlich um eine ganzheitliche Managementaufgabe.
Change geht nur rückwärts schnell
Wie schwierig Veränderungsprozesse sind, weiß auch Prof. Dr. Martina Schraudner. Die Leiterin des Fraunhofer Centre for Responsible Research and Innovation ist Vorstandsmitglied der acatech, der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften e.V.. Schraudner unterstreicht in ihrem Impuls, dass Veränderungen Gesetze brauchen, und zwar nicht nur als Anstoß, sondern auch, um für Verbindlichkeit zu sorgen. Das größte Problem in der Unternehmenspraxis aus Sicht der Change-Expertin: „Veränderung geht immer nur rückwärts schnell – es ist sehr leicht, in alte Muster zurückzufallen. Vorwärts verändern sich die Dinge in Unternehmen meist extrem langsam.“
Deutlich beschleunigen lässt sich der Prozess, wenn die Veränderung von oben gewollt und gesteuert wird – Entgelttransparenz verstehen die meisten der Anwesenden als Führungsaufgabe. Einige waren bereits im vergangenen Jahr dabei und berichten im Rückblick: Der Aufwand wurde überschätzt, nur wenige Beschäftigte haben den Auskunftsanspruch genutzt. Doch eine geringe Anzahl an Auskunftsgesuchen garantiert längst nicht, dass alles in Ordnung ist und die Beschäftigten mit den Gehaltsstrukturen zufrieden sind. Ganz im Gegenteil: Eine geringe Anzahl an Anfragen kann auch ein Indiz sein, dass es nicht nur auf Führungsebene, sondern über alle Hierarchieebenen hinweg an Mut zur Transparenz mangelt. Faire Bezahlung, so kristallisiert sich einmal mehr heraus, ist vor allem eine Frage der Unternehmenskultur.
Unantastbare Privilegien
Gehaltsanpassungen waren also eher die Ausnahme. Wiederholt beklagt wird die in Deutschland fehlende Handhabe, ungerechte Entgeltstrukturen auch zu korrigieren, indem überbezahlte Mitarbeitende herabgestuft werden. Dass Anpassungen nur eine Richtung kennen, nämlich nach oben, sei ein enormer Kostenfaktor für Unternehmen – und kaum zu leisten.
Das Gesetz allein reiche, so der Konsens in der Runde, bei Weitem nicht aus, um die bestehenden Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen. Die Unternehmen sind selbst aufgerufen, transparente Strukturen zu schaffen. Und zwar im eigenen Interesse: „Nichts ist so demotivierend wie unfaire Bezahlung“, sagt Vergütungs-Expertin Dr. Christine Abel. Die Seniorpartnerin der hkp/// Deutschland GmbH weiß sehr genau, welchen Einfluss Vergütungsstrategien auf die Mitarbeitermotivation und Bindung an das Unternehmen haben und plädiert für mehr Transparenz: „Es braucht deutlich mehr Ermutigung und Aufklärung, damit das Entgelttransparenzgesetz genutzt wird.“
Gute Transparenzaussichten für 2019
Die Evaluation des Gesetzes ist in vollem Gange, und es bleibt abzuwarten, was daraus für die Umsetzung und für eine Nachbesserung des Gesetzes abzuleiten sein wird. Die vorläufigen Ergebnisse, die bis zum Sommer erwartet werden, dürften eine gute Grundlage schaffen, um den Veränderungsprozess endlich zu beschleunigen. Faire Bezahlung kommt schließlich allen zugute: „Innovation sorgt für Vielfalt“, so Christine Morgenstern, „und Chancengleichheit kann zum Markenzeichnen der deutschen Wirtschaft werden.“
Wie bei jedem Fair Pay Management Circle erfolgte die Teilnahme ausschließlich auf persönliche Einladung, die Veranstaltung selbst unterlag der Chatham House Rule – die beste Voraussetzung für einen offenen und konstruktiven Austausch. Wir geben daher nichts weiter, was Rückschluss auf die Referierenden oder Gäste, auf ihre Unternehmen oder Organisation zuließe – außer diese haben ausdrücklich zugestimmt, genannt zu werden.
Der nächste Fair Pay Management Circle findet am 28. Januar 2019 in Berlin statt. Wenn Sie selbst an einem Fair Pay Management Circle teilnehmen oder uns eine Expertin oder einen Unternehmensvertreter empfehlen möchten, die oder den wir unbedingt einladen sollten, schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an!
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