Keine Siesta, sondern Gleichstellungsolé!
MIT FAIR PAY AUS DER KRISE IN SPANIEN
Von wegen Siesta! In Sachen fairer Bezahlung zeigt sich Spanien ziemlich ausgeschlafen: Noch 2007 lag der nicht angepasste Gender Pay Gap bei 18 Prozent, innerhalb von 12 Jahren sank der Wert auf knapp 12 Prozent in 2019. Doch wie ist das dem spanischen Königreich, zu dem neben dem iberischen Festland auch die Balearischen Inseln im Mittelmeer und die Kanaren im Atlantik gehören, inmitten von Finanzkrise und wachsender Arbeitslosigkeit bloß gelungen?
Wie lässt sich eine Wirtschaftskrise bekämpfen? In Spanien heißt die Lösung: faire Bezahlung. Während die Gleichstellung während der Corona-Pandemie in vielen Ländern herbe Rückschritte, beschloss die spanische Regierung Ende 2020, die Entgeltgleichheitsgesetze zu verschärfen. Spanischen Unternehmen, die Frauen und Männer für gleiche und gleichwertige Arbeit nicht gleich bezahlen, drohen nun bis zu sechsstellige Geldstrafen. „Um uns von dieser Notfallsituation zu erholen, müssen wir als Frauen für gleiche Arbeit auch das Gleiche verdienen wie die Männer", erklärte Gleichstellungsministerin Irene Monteri diesen Schritt.
Keine halben Sachen
Die Botschaft des neuen Gesetzes ist klar, zumal Spaniens Regierung damit umsetzt, was im Sommer 2021 auch unsere Expertinnen und Experten auf der International Pay Transparency Conference einhellig forderten: Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen. Dass faire Bezahlung dabei als Instrument zu verstanden wird, um die Wirtschaft anzukurbeln, ist weltweit einmalig.
Und es werden keine halben Sachen gemacht: Bei der Neugestaltung der Entgeltgleichheitsgesetze kommen insgesamt drei überaus wirksame Hebel zusammen: Erstens die gesetzlich verankerte Pflicht der Unternehmen, gleiches Gehalt für gleiche und gleichwertige Tätigkeiten zu zahlen. Zweitens der Zwang, die Entgeltstrukturen regelmäßig zu überprüfen, um für ein dauerhaft neutrales und klischeefreies Vergütungssystem zu sorgen. Und drittens Geldstrafen, sollten die Vorgaben nicht eingehalten werden.
Ehrgeizige Elternzeitgesetze
Darüber hinaus wurde unter Monteri noch ein weiteres Gesetz verabschiedet, dass die Diskriminierung von Frauen im Beruf beenden und die Parität im Privaten stärken soll: Seit Januar 2021 steht frischgebackenen Vätern in Spanien die gleiche Elternzeit zu wie den Müttern, insgesamt 16 (bezahlte) Wochen. Exakt so viele Wochen stehen auch den Frauen zu, zudem ist dieser Anspruch nicht auf das andere Elternteil übertragbar. Gar nicht in Elternzeit zu gehen, ist für spanische Väter seit Inkrafttreten des Gesetzes auch keine Option mehr: Die ersten sechs Wochen nach der Geburt, in Deutschland Mutterschutz genannt, sind in Spanien seit Neuestem auch für die Väter obligatorisch – bei vollem Lohnausgleich für beide Elternteile. Der Rest der Elternzeit kann am Stück oder auch wochenweise bis zum Ende des ersten Lebensjahres des Kindes genommen werden.
Das ist enorm ehrgeizig, insbesondere, was die aktive Rolle der Väter angeht. Zum Vergleich: In Deutschland nehmen weniger als vier von zehn Vätern Elternzeit und bleiben im Schnitt 3,7 Monate zu Hause. Die Mütter hingegen bleiben durchschnittlich 14,5 Monate zuhause. Anders gesagt: Die Mehrheit der Väter in Deutschland geht gar nicht bzw. nicht länger als zwei Monate in Elternzeit, von paritätischer Aufteilung von Erberwerbs- und Care-Arbeit kaum eine Spur.
Aufwind für die Gleichstellung
In Spanien dürfte es in Zukunft also deutlich paritätischer zugehen. Doch es gibt auch Kritik an der Regelung: Was die Elternzeit für die Mütter angeht, so gilt diese vielen als viel zu kurz. Eine Verlängerung der 16 Wochen über den vierten Lebensmonat des Kindes wird dringend gefordert.
Der Gleichstellung in Spanien dürften die neuen Entgeltgleichheits- und Elternzeitgesetze dennoch weiteren Aufwind verschaffen: Trotzdem die neuen Regelungen erst in 2020 beschlossen wurden, schnitt Spanien schon im Global Gender Gap Report 2020 extrem gut ab: Um sagenhafte 21 Plätze sprang das Land in die Top Ten auf Platz 8, eine immense Verbesserung gegenüber Platz 29 in 2018. Grund dafür sind die vielen Frauen in der spanischen Regierung und im Parlament, auch in Sachen politischer Parität landet Spanien klar in den globalen Top Ten. Luft nach oben bleibt dennoch, etwa beim Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft und bei der Bezahlung.
Und genau hier sollen die neuen Gesetze endlich Abhilfe schaffen. Erste Entgeltgleichheitsgesetze existierten schon seit 2007. 2019 wurde ein Dekret erlassen, das die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern für gleiche und gleichwertige Arbeit für unzulässig erklärt. Seitdem sind spanische Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtet, ein Register zu führen, dass die Durchschnittsgehälter nach Geschlecht, Funktion, Position und gleichwertigen Positionen auflistet. Zudem muss die Gleichwertigkeit von Stellen in jedem Unternehmen überprüft werden. Werden die Vorgaben nicht erfüllt, drohen Sanktionen.
Erste Liga
In 2020 wurden die Regelungen noch einmal verschärft: Seitdem müssen Unternehmen zusätzlich Gleichstellungspläne inklusive einer Diagnose der Ist-Situation vorlegen und konkrete Maßnahmen benennen, um Gleichstellung und faire Bezahlung durchzusetzen. Um die Umsetzung zu gewährleisten, braucht es in jedem Unternehmen eine interne Kommission, die die Einhaltung der beschriebenen Maßnahmen überwacht. Darüber hinaus sind die Ergebnisse eines Gehaltsaudits Teil des Gleichstellungsplans: Unternehmen sind aufgefordert, ihre Vergütungsstrukturen zu überprüfen und für Transparenz zu sorgen. Sollten dabei Ungleichheiten ans Tageslicht kommen, müssen Unternehmen diese beheben.
Apropos Ungleichheiten: Nach 16 Monate zähen Verhandlungen, fiel 2020 auch die Entscheidung für faire Bezahlung von Frauen im Fußball. Auch die spanischen Fußballnationalspielerinnen der Primera Divisón haben künftig einen Anspruch auf ein Jahr Mutterschutz, erhalten ein Mindestjahresgehalt und werden nach Tarif bezahlt.
UNIVERSAL FAIR PAY CHECK
Faire Bezahlung für alle: Der Universal Fair Pay Check sorgt für Orientierung im Maßnahmendschungel und setzt dem Zertifizierungschaos ein Ende.
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