Digitalisierung – die perfekte Komplizin für Lohngerechtigkeit
Ein Beitrag zur #newpay-Blogparade
von Henrike von Platen
„New Work“ ist zum geflügelten Wort in Barcamps und in Meetings und unter all jenen geworden, die sich in irgendeiner Form mit der Arbeitswelt der Zukunft beschäftigen. Der Erfinder des Begriffs, der Philosoph Frithjof Bergmann, der den Begriff lange vor der Digitalisierung in den 1970ern prägte, ahnte vermutlich nicht, dass die „Neue Arbeit“ einige Jahrzehnte später zum Buzzword mutieren würde.
Gemeint war mit „New Work“ das Ende der Lohnarbeit im Postkapitalismus – und zwar im positiven Sinne. Vom Fließband und mechanischen Tätigkeiten befreit, sah Bergmann die Chance für die kreative Entfaltung des Einzelnen gekommen. Bergmann selbst wurde übrigens in Sachsen geboren und ging als 19-jähriger mit einem Stipendium nach Amerika, wo er blieb und sich zunächst als Tellerwäscher, Preisboxer, am Fließband und als Hafenarbeiter durchschlug.
Als sich Ende des 20. Jahrhunderts mit der Digitalisierung die neuen Anforderungen der künftigen Arbeitswelt abzeichneten, machte der Begriff Schule: Schluss mit Hierarchien, Druck und starren Strukturen! Her mit Flexibilität und Agilität, mit Selbstorganisation und Mitbestimmung!
Virtuelle Teams, Kommunikationsinseln, Sabbaticals, all diese New-Work- Phänomene macht sich längst auch die Old Economy zu eigen – und sei es, um in den Augen potentieller Mitarbeitender in Zeiten grassierenden Fachkräftemangels an Image zu gewinnen.
New Work: Am Ende geht es immer nur ums Geld
Denn mit den Generationen hat sich das Verständnis von Arbeit als lebenslanger Festanstellung gewandelt, Work-Life-Balance ist gefragt, Work-Life-Blending oft das Ergebnis. Selbstverwirklichung im Job und Spaß an der Tätigkeit – wer wollte das nicht? All diese relativ neuen Konzepte tragen den Stempel „New Work“, und sie alle passen perfekt zu den Anforderungen der digitalisierten Arbeitswelt.
„New Work“ als fester Bestandteil des Kapitalismus? Da ist es nur konsequent, auch über den Begriff „New Pay“ nachzudenken. Denn am Ende geht es in der Wirtschaft noch immer vor allem um eins: Ums Geld.
Doch während sich die Arbeitsbedingungen, die Technik und die Formen des Zusammenarbeitens in den letzten hundert Jahren enorm verändert haben, haben sich die Entgeltstrukturen in einem ganz wesentlichen Punkt kaum verändert: Noch immer verdienen Frauen signifikant weniger als Männer. Lena Madesin Phillips gründete 1919 in New York die Business and Professional Women, um für Chancengleichheit und Equal Pay zu kämpfen, weil Frauen so viel weniger verdienten als ihre männlichen Kollegen. Ein Jahrhundert und eine industrielle Revolution später klafft die Lohnlücke noch immer überall auf der Welt, in Deutschland sind es aktuell 21 Prozent Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen.
Ein fataler Teufelskreis aus Geld und Macht
Doch solange noch nicht einmal die schlichte alte Forderung nach „equal pay for equal work“ erfüllt ist, die Bestandteil der Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen und seit 1951 im deutschen Grundgesetz verankert ist, kann von New Pay keine Rede sein.
Die Ursachen für die Lohnlücke sind komplex: Frauen sind seltener in Führungspositionen zu finden, arbeiten oft in weniger gut bezahlten Berufen und überdurchschnittlich oft in Teilzeit. Sie werden weniger oft befördert, übernehmen seltener Verantwortung und verhandeln anders. Männer werden eher nach Potential, Frauen nach erbrachter Leistung bezahlt. Zuhause bleibt, wer weniger verdient, und wer weniger verdient, bleibt zuhause, etwa wenn das erste Kind kommt oder Angehörige gepflegt werden müssen. Ein fataler Teufelskreis aus Geld und Macht, der sich auch in der schönen neuen Arbeitswelt fortsetzen wird, wenn wir nicht gezielt an der wichtigsten Schraubstelle drehen, die uns zur Verfügung steht: der Bezahlung.
Die perfekte Komplizin für Lohngerechtigkeit
Dabei ist die Digitalisierung mitsamt ihrer technischen Möglichkeiten die perfekte Komplizin für Lohngerechtigkeit: 32-Stunden-Vollzeit, Lebensarbeitszeitkonten, flexible Arbeitszeiten, Führung in Teilzeit, Home-Office-Lösungen, das alles kann helfen, die Lohnlücke endlich zu schließen. Das alles ist in der neuen Arbeitswelt möglich.
All die neuen Möglichkeiten zum flexiblen Arbeiten sind vor allem eins: Eine Chance für Vereinbarkeit und selbstbestimmtes Arbeiten. Und zwar für alle, für Frauen, für Männer, für jeden Menschen. Mitbestimmung, Transparenz und Augenhöhe beim Entgelt sind dafür die wichtigste Voraussetzung. So gesehen ist New Pay hervorragend geeignet, endlich für Lohngerechtigkeit zu sorgen. Mit allen Konsequenzen – vor allem der, endlich für Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt zu sorgen.
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