LET’S TALK ABOUT MONEY, HONEY!
FAIR PAY IN DEN USA
„Was verdienst du eigentlich?“ Diese Frage ist in den USA kein No Go, sondern durchaus smalltalktauglich. Doch hat der offene Umgang mit dem Thema Geld auch Auswirkungen auf eine fairere Bezahlung in den Unternehmen? Anlässlich der 64. Frauenrechtskommission, haben wir uns einmal umgesehen, im Land, wo der Equal Pay Day erfunden wurde.
Die Kuriositäten der amerikanischen Gesetzgebung sind legendär. So benötigen Frauen in Vermont die Erlaubnis ihrer Ehemänner, wenn sie sich die Zähne machen lassen wollen, in Eureka ist es Männern mit Schnurrbart untersagt, Frauen zu küssen und in Michigan durfte bis 2015 nur geflucht werden, wenn keine Kinder und Frauen in Hörweite sind. Nicht so kurios, aber ebenso uneinheitlich ist auch die regionale Gesetzgebung zum Thema Equal Pay. Im Bundesstaat Mississippi gibt es keine eigenen Equal Pay Gesetze.
Auch die Höhe der Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen variiert von Bundesstaat zu Bundesstaat: Die höchsten regionalen Gaps gibt es in Louisiana (30,6%) und Wyoming (29,9%). New York (12,3%) und Kalifornien (11,9%) hingegen sind am unteren Ende der Skala zu finden. Im Durschnitt liegt die nationale statistische Lohnlücke bei 18 Prozent. Anders als in Deutschland wird der Unterschied in der Bezahlung in den Vereinigten Staaten von Amerika zusätzlich nach ethnischer Herkunft aufgeschlüsselt: Während Frauen asiatischer Herkunft 10 Prozent weniger verdienen als weiße Männer, verdienen Frauen hispanischer Herkunft im Durchschnitt nur knapp die Hälfte: 46 Prozent beträgt die Differenz zum Einkommen ihrer weißen Kollegen.
Meilenstein mit Signalwirkung
Dabei ist Forderung nach Lohngerechtigkeit in den USA keineswegs neu: Dort gründete die Anwältin Lena Madesin Phillips 1930 die Business Professional Women. Wirtschaftliche Gleichstellung und Teilhabe waren von Anfang an zentrale Anliegen des Netzwerks berufstätiger Frauen. Schon bald wuchs das in New York gegründete Netzwerk, zu dem heute 25.000 Frauen in 107 Ländern gehören, und der Ruf nach fairer Bezahlung wurde immer lauter.
In den 1960ern verschafften sich die Amerikanerinnen schließlich mit einer groß angelegten Kampagne bis ganz nach oben Gehör und sorgten dafür, dass die gesetzliche Grundlage für gleiche Bezahlung geschaffen wurde: 1963 unterzeichnete der damalige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, John F. Kennedy feierlich den Equal Pay Act. Ein Meilenstein mit Signalwirkung.
Exportschlager Equal Pay Day
Doch ein weiteres Vierteljahrhundert später war klar: Ein Gesetz allein genügt nicht, um die Lohnlücke auch tatsächlich zu schließen. 1988 starten die Amerikanerinnen die Red Purse Campaign und gingen mit signalroten Taschen auf die Straße, um auf die roten Zahlen in den Geldbörsen der Frauen aufmerksam zu machen. Daran knüpften auch die deutschen Business and Professional Women 2007 mit der Initiative Rote Tasche an, die ein Jahr später im allerersten deutschen Equal Pay Day mündete. Nicht nur in Deutschland sorgt der Aktionstag für Aufmerksamkeit für das Thema: Netzwerkerinnen von Brasilien bis Japan machen jährlich auf den Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen aufmerksam. Die weltweite Kampagne ist – wie Cola und der Weihnachtsmann – ein US-Exporterfolg.
In den USA selbst folgte der nächste große Gesetzesakt auf nationaler Ebene 2009: Der damalige Präsident Barack Obama unterzeichnete den sogenannten Lilly Ledbetter Fair Pay Act. Die Angestellte Lilly Ledbetter hatte den Reifenkonzern Goodyear verklagt, weil ihr dort über Jahre wesentlich weniger Gehalt gezahlt worden war als ihren Kollegen in gleicher Management-Position. Der oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten bestätigte zwar die ungleiche Bezahlung, stellte jedoch zugleich fest, dass die Frist zur Feststellung bereits verstrichen war. Diese Gesetzeslücke wurde geschlossen; Betroffene können nun auch nach längerer Zeit noch ihr Recht einklagen. Trotz aller Bemühungen der nachfolgenden Regierung, das Gesetz zu kippen, besteht die Regelung bis heute.
Faire Bezahlung bis zum obersten Gerichtshof
Generell wird den USA sehr viel häufiger faire Bezahlung eingeklagt als in Deutschland, wo das nur äußerst selten getan wird und die Klagen an einer Hand abgezählt werden können. Das liegt auch daran, dass die Klägerinnen in den USA meist viel Aufmerksamkeit und auch prominente Unterstützung bekommen: So wurde über den Fall Lilly Ledbetter nicht nur sehr viel berichtet, die Klägerin hatte auch prominente Unterstützung: Ruth Bader Ginsburg machte sich als Richterin am Supreme Court für den Fall stark. Ob im Alleingang im Silicon Valley oder als Sammelklage gegen große Konzerne – die Bereitschaft zur gerichtlichen Auseinandersetzung ist in den USA vergleichsweise hoch.
Schlagzeilen machten zuletzt die amerikanischen Nationalspielerinnen bei der Fußballweltmeisterschaft in Frankreich 2019: Lautstark forderten sie bei der Siegerinnenehrung Equal Pay. Erfolg hatten die darauffolgenden Verhandlungen nicht – noch ist die Klage gegen den zuständigen Verband anhängig.
Transparenz: Schattenseiten und Vorteile
Die Offenheit beim Thema Geld bedeutete in den USA lange auch, dass zu den Bewerbungsunterlagen üblicherweise eine sogenannte Salary History gehörte, in der die bisherigen Positionen und Gehälter aufzuführen waren. Das Problem daran: Einmal entstandene Diskriminierungen bei der Bezahlung setzten sich so über den weiteren Berufslebensverlauf immer weiter fort. Um dies zu vermeiden, sind die Salary Histories seit Januar 2020 im Staat New York verboten. So können neue Gehälter – unabhängig von früherer Ungleichbehandlung – bei einer Neueinstellung auf dem eigentlich angemessenen Level festgelegt werden.
Doch die offene Gesprächskultur in Sachen Geld hat vor allem Vorteile: Nicht nur die Beschäftigten, die ihr Recht durchsetzen, auch viele amerikanische Unternehmen beweisen in Sachen Gehaltstransparenz sehr viel Mut. Absoluter Vorreiter ist Buffer: Der Softwareanbieter hat eine Formel entwickelt, anhand derer die Gehälter festgelegt werden – Gehaltsverhandlungen gibt es keine mehr, Diskriminierungen in der Bezahlung sind ausgeschlossen. Die Gehälter werden außerdem transparent gemacht und sind sämtlich öffentlich einsehbar. Auch der Cloud-Computing-Entwickler Salesforce sorgt konsequent für faire Bezahlung: Seit 2015 werden jedes Jahr rund 9 Millionen Dollar investiert, um etwaige Einkommensunterschiede auszugleichen. Was erstmal viel klingt, ist bei genauerer Betrachtung ziemlich wenig, nämlich nicht einmal 1 Prozent des Jahresumsatzes von 10 Milliarden Dollar.
Auch Unternehmen wie Starbucks gehen mit gutem Beispiel voran: Seit 10 Jahren analysiert der Kaffeekonzern jährlich den Gender Pay Gap und konnte die Lohnlücke 2018 schließen. Das Unternehmen ruht sich auf diesem Ergebnis aber nicht aus – sondern hat einen sehr genauen Plan, wie die Null auch in Zukunft erhalten bleiben soll.
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