Fair Pay im Koalitionsvertrag der neuen Regierung
Wird Geld in den nächsten 4 Jahren der Schlüssel zur Gleichstellung sein?
Im September 2021 wurde in Deutschland eine neue Regierung gewählt, Ende November war es soweit: Die Ampelkoalition aus SPD, FDP und Grünen präsentierte den Koalitionsvertrag als Grundlage der gemeinsamen Regierungsarbeit für die nächsten vier Jahre. Doch was plant die neue Regierung in Sachen Gleichstellung? Welchen Stellenwert misst die Koalition fairer Bezahlung bei? Das haben wir uns einmal genauer angesehen!
178 Seiten ist er lang, der Koalitionsvertrag der neuen deutschen Ampelregierung. Das Wort „Gleichstellung“ kommt darin 16mal vor, „Chancengleichheit“ zweimal, und unsere Lieblingsvokabeln „Entgeltgleichheit“ und „Entgelttransparenzgesetz“ jeweils einmal ganz explizit. Grund genug, sich das Ganze genauer anzusehen und zu prüfen, was in den nächsten vier Jahren auf uns zukommen wird. Dazu haben wir kurzerhand das gesamte FPI Team zur Entgeltgleichheitsjury gekürt und unsere Agents um ihre Expertise und eine Einschätzung der Regierungsvorhaben gebeten. Im Fokus standen dabei die wichtigsten fünf Themen, die die direkt oder indirekt für mehr Entgeltgleichheit von Beschäftigten sorgen:
- Frauen in Führung
- Förderung von Frauen am Arbeitsmarkt
- Ehegattensplitting
- Vereinbarkeit
- Feministische Außenpolitik
Bewertet wurden die Pläne der neuen Regierung hinsichtlich dieser fünf Themen sowie in der Gesamtnote auf einer Skala von 1 bis 10. Hier das Ergebnis:
1. Frauen in Führung: 6/10
Zum Thema Frauen in Führung findet sich auf den 178 Seiten nur wenig Explizites. Dass Scholz sein Kabinett konsequent paritätisch besetzt, ist allerdings ein ganz fantastischer erster Schritt. Unsere Jury sieht Luft nach oben und vergibt hier hoffnungsfrohe 6 von 10 Punkten.
2. Förderung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt: 9/10
Die Förderung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt wird an so prominenter Stelle benannt, dass eine gewisse Unumstößlichkeit zu erkennen ist. Die Jury vergibt positiv überraschte 9 von 10 Punkten!
3. Ehegattensplitting: 8/10
Dass sich eine Regierung an dieses Thema traut – halleluja! Endlich soll das Steuersystem reformiert und das überholte Ehegattensplitting mit den Steuerklassen III und V in das Faktorverfahren überführt werden. Dies soll Familien und eine partnerschaftliche Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit stärken. Die Jury ist gespannt, ob das tatsächlich so umgesetzt wird und vergibt optimistische 8 von 10 Punkten.
4. Vereinbarkeit: 7/10
Insgesamt will die Koalition Vereinbarkeit durch den Ausbau der Brückenteilzeit sowie Betreuungsmöglichkeiten und Ganztagsangebote für Familien fördern. Konkret soll es eine zweiwöchige vergütete Freistellung für die Partnerin oder den Partner nach der Geburt eines Kindes geben. Alles andere ist eher vage formuliert – daher leicht skeptische 7 von 10 Punkten.
5. Feministische Außenpolitik: 10/10
Nach Schweden und Kanada könnte es auch in Deutschland endlich eine feministische Außenpolitik geben. Gelinde gesagt: der Hammer! 10 von 10 Punkten!
In der Gesamtwertung ergibt sich als Gesamtnote für die Entgeltgleichheit: 7/10
Denn die Koalition setzt sich für Fair Pay ein und möchte das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und in der Umsetzung stärken. Wörtlich heißt es im Koalitionsvertrag: „Wir wollen die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern schließen. Deshalb werden wir das Entgelttransparenzgesetz weiterentwickeln und die Durchsetzung stärken, indem wir Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ermöglichen, ihre individuellen Rechte durch Verbände im Wege der Prozessstandschaft geltend machen zu lassen.“
Insgesamt misst der Vertrag dem Thema Gleichstellung einen hohen Stellenwert bei. Das stimmt hoffnungsvoll und hat definitiv das Potential, nach dem Erkenntnisdefizit in den kommenden vier Jahren auch endlich das Umsetzungsdefizit zu schließen.
Abstriche gibt es, weil die Jury einige ganz konkrete Maßnahmen für mehr Vereinbarkeit wie etwa eine paritätische Aufteilung der Elternzeit nach isländischem oder spanischem Vorbild vermisst. Vor allem aber fehlen die zwei wirksamsten Maßnahmen für mehr Entgeltgleichheit, wie sie auch auf der International Pay Transparency Conference einhellig von internationalen Expertinnen und Experten benannt wurden:
- Eine Transparenzpflicht für Unternehmen
- Sanktionen, Sanktionen, Sanktionen
Das Fazit: Dass Geld der Schlüssel zur Gleichstellung ist, ist inzwischen vielen Akteurinnen und Akteuren klar, aber noch längst nicht allen. Aber es tut sich was, und die Regierungsvorhaben im neuen Koalitionsvertrag scheinen solide. Immerhin. In der Gesamtnote vergibt unsere Jury hoffnungsvolle 7 von 10 Punkten – und lässt sich von der tatsächlichen Umsetzung in den nächsten vier Jahren gern positiv überraschen und nach oben korrigieren.
Der Koalitionsvertrag zum Nachlesen: https://www.spd.de/koalitionsvertrag2021/
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