Business Case Gleichstellung
Fair Pay Management Circle am 7. August 2018 im thyssenkrupp Quartier
Was bedeuten Diversität und Inklusion im Unternehmensalltag? Wie gelingt es, mehr Frauen in Führung zu bringen? Und weshalb sind diverse Teams eigentlich so viel leistungsfähiger und finden die besseren Lösungen? Beim Fair Pay Management Circle im thyssenkrupp Quartier in Essen ging es um die Hürden in der Praxis, um Revolutionen in Politik und Wirtschaft, um die positive Signalwirkung von Transparenz - und am Ende um eine handfeste Wunschliste der Unternehmen an die Politik.
Quartier 1: rechts. Quartier 2: links. Kita: geradeaus. Gleich bei der Ankunft im thyssenkrupp Quartier in Essen wird klar, dass sich bei dem Industriekonzern in den letzten Jahrzehnten einiges geändert hat. Bestimmten einst hauptsächlich Stahl und Männer das Geschäft, hat der Wandel der gesamten Region auch vor thyssenkrupp nicht Halt gemacht: Inzwischen sind Themen wie Diversität, Inklusion und Innovation fest auf der Agenda des Unternehmens verankert. Beim Fair Pay Management Circle in Quartier 2 ging es um „Gleichstellung aus Unternehmensperspektive“ – und um alles, was damit zusammenhängt.
Denn trotz oftmals bester Absichten gibt es in der Unternehmenspraxis noch immer große Herausforderungen zu bewältigen: „Der sicherste Weg, in Deutschland seine Karriere zu ruinieren? Werden Sie Mutter!“, stellt Gastgeber Oliver Burkhard, Personalvorstand und Arbeitsdirektor bei thyssenkrupp eingangs augenzwinkernd voran, betont aber auch: „Gerade die Digitalisierung ist eine große Chance für Frauen.“
Bei thyssenkrupp mit 43 Milliarden Euro Umsatz und 160.000 Mitarbeitenden weltweit habe man verinnerlicht, dass es bei der Arbeit nicht nur auf das Was, sondern auch das Wie ankommt. Seit 2014 wird an einem Fair Share von 15 Prozent Frauenanteil in der Führungsebene gearbeitet, das entspricht dem Frauenanteil im gesamten Unternehmen.
Raus aus dem Thomas-Kreislauf
Bezogen auf ganz Deutschland ist es bis heute so, dass es in den Vorständen deutscher Unternehmen noch immer mehr Männer mit den Vornamen Thomas, Markus, Michael und Stefan gibt als Frauen insgesamt – damit schneidet Deutschland schlechter ab als jedes andere Land: Hierzulande bestimmen Männer mittleren Alters die Wirtschaft. Die Ursachen dafür sind komplex.
Doch wie lässt sich der von der AllBright Stiftung entdeckte „Thomas-Kreislauf“ durchbrechen? Juliane Seifert, Staatssekretärin im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, sieht die Herausforderungen vor allem beim Gender Pay Gap und Frauen in Führung. Daher würden vor allem Maßnahmen in diesen Bereichen unterstützt. Weitere Schritte auf dem Weg zur Gleichstellung sind das Entgelttransparenzgesetz sowie Initiativen wie Klischeefrei, mit dem auch das FPI kooperiert. „Frauen tauschen sich weniger aus – sowohl innerhalb wie außerhalb von Unternehmen“, so die Staatssekretärin. „Dabei sind Netzwerke ein wesentlicher Baustein, um den Thomas-Kreislauf zu durchbrechen.“
Zwischen Feigenblatt und Transparenz auf Knopfdruck
Doch nicht in allen Unternehmen wird Gleichstellung als Zukunftsstrategie aufgefasst. In zu vielen Unternehmen bestimmten noch immer „motorisierte Machos“ das Tagesgeschäft, die das Ganze als „Frauengedöns“ auffassen, wie in der Runde offen zugegeben wird. Die Bandbreite ist groß, gerade in Sachen gerechter Bezahlung als der wichtigsten Stellschraube auf dem Weg zur Gleichstellung. Auf der einen Seiten gibt es Unternehmen, die dem Entgelttransparenzgesetz mit Vermeidungsstrategien und Minimallösungen begegnet sind und Transparenz allenfalls als Feigenblatt verstehen. Auf der anderen Seite Unternehmen wie SAP, wo konsequent Transparenz praktiziert wird. Dazwischen liegen Welten. Der Aufwand war für alle beträchtlich – dabei gab es in vielen Unternehmen letztlich nur sehr wenig Anfragen. Gelohnt habe sich das Ganze aber trotzdem, sind sich die anwesenden Unternehmensvertretenden einig.
Nirgends nahmen so viele Mitarbeitende den Anspruch wahr wie beim Transparenz-Vorreiter SAP, wo es für die Auskunft tatsächlich nur einen Knopfdruck braucht. Das Fazit von Dr. Daniel Holz, Managing Director, SAP Deutschland SE: „Entgelttransparenz wirkt sich enorm positiv auf die DNA eines Unternehmens aus – unabhängig davon, ob der Anspruch genutzt wird oder nicht, ist die Signalwirkung nicht zu unterschätzen. Der Aufwand lohnt sich daher unbedingt.“
Gleichstellung als knallharter Business Case
Abschließend werden Wünsche an die Politik geäußert: Die sofortige Abschaffung des Ehegattensplittings. Eine Qualitätsoffensive für Kitas. Die frühzeitige Sensibilisierung von (werdenden) Eltern für Genderklischees. Umfassende Berufskunde als Schulunterrichtsfach. Das Recht auf mobiles Arbeiten nach britischem Vorbild. Gebraucht würden Gesetze allerdings nur für jene Unternehmen, die nicht wollen – niemand müsse auf Gesetze warten. Schon gar nicht jene Unternehmen, die Gleichstellung als knallharten Business Case begreifen, wie bei thyssenkrupp, wo man die Herausforderungen im Spagat zwischen Tradition und Moderne ganz bewusst angeht. Denn Veränderung, so Oliver Burkhard, passiere nicht von alleine: „In der Politik ist es genau umgekehrt, aber in den Unternehmen fangen Revolutionen immer von oben nach unten an.“
Wie bei jedem Fair Pay Management Circle erfolgte die Teilnahme ausschließlich auf persönliche Einladung, die Veranstaltung selbst unterlag der Chatham House Rule – die beste Voraussetzung für einen offenen und konstruktiven Austausch. Wir geben daher nichts weiter, was Rückschluss auf die Referierenden oder Gäste, auf ihre Unternehmen oder Organisation zuließe – außer diese haben ausdrücklich zugestimmt, genannt zu werden.
Der nächste Fair Pay Management Circle findet am 13. Dezember 2018 im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in Berlin statt. Wenn Sie selbst an einem Fair Pay Management Circle teilnehmen oder uns eine Expertin oder einen Unternehmensvertreter empfehlen möchten, die oder den wir unbedingt einladen sollten, schreiben Sie uns oder rufen Sie uns an!
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